Zur Konzeption des ehemaligen Kinderheims in Köln-Sülz gehörte von Beginn an eine eigene Kirche. Seit 1923 weist der Zwiebelturm der früheren Kirche „Zur Heiligen Familie“ schon von Weitem sichtbar den Weg zu dem Gelände am Sülzgürtel, auf dem sich bis 2010 das Kinderheim befand.
Das Kinderheim wurde im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört. Die Kirche wurde 1944 von einer Luftmine getroffen und stürzte ein. Nur der Turm blieb stehen.
Die Planung für den Wiederaufbau der Kirche begann im Jahre 1955. Für diesen Zweck stellte das erzbischöfliche Generalvikariat durch Vermittlung des früheren Hausgeistlichen des Kinderheims, Pfarrer Paul Hermesdorf, der auch Vorstandsvorsitzender der Pax Bank war, ein Darlehen von 400.000 DM zur Verfügung. Die Kölner Architekten Professor Dominikus Böhm und sein Sohn Dipl. Ing. Gottfried Böhm wurden beauftragt, die neue Kirche zu bauen. Vor seinem Tod am 6. August 1955 konnte Prof. Böhm noch an den ersten drei Baubesprechungen teilnehmen, dann setzte sein Sohn das Werk fort. Die neue Sülzer Kinderheimkapelle wurde am 15. Dezember 1958 eingeweiht.
Nach den Erinnerungen des ehemaligen Kinderheimdirektors Josef Abeln lautete der Bauauftrag an die Architekten “Eine Kirche für Kinder mit viel Licht und frohmachenden Symbolen” zu bauen. Diese Idee hat Gottfried Böhm als Architekt außen und innen mit vielen Symbolen verwirklicht.
Die Außenmauern der neuen Kirche wurden aus eingefärbtem Schüttbeton errichtet, der aus den Trümmern der alten Kirche und benachbarter Häuser gewonnen wurde. Beim Neubau verlegte Gottfried Böhm den Altar, der sich früher im Turm befand, in den vorderen Bereich und den Eingang in den Turm. Der Kirchenraum befand sich im Obergeschoss über einem für verschiedene Zwecke des Kinderheims genutzten Saal.
Über die gesamte Außenwand zieht sich ein monumentales, von dem Bildhauer Jochen Pechau gestaltetes Relief, das viele in Dreiergruppen angeordnete Lämmer zeigt, die den an der Eingangsseite dargestellten Guten Hirten umgeben. 126 Schäfchen wandern auf den beiden Außenseiten zum guten Hirten hin. Der Baumeister wählte das Bild des guten Hirten aus der katholischen Symbolik als Sinnbild für die Aufgabe der Kinderheime und belebte damit gleichzeitig die kahlen Betonwände.
Auch das Innere der Kirche war von der Symbolik der katholischen Religion geprägt. Der große Baldachin zog die Aufmerksamkeit direkt zum Altar mit darauf stehendem Tabernakel (Eva Burgeff, 1958) hin. Die Kirche wurde der Heiligen Familie geweiht, nach katholischem Glauben das höchste Vorbild aller christlichen Familien. Zur Veranschaulichung wählte Gottfried Böhm für die linke Fensterrosette das Bild der Mutter Gottes, die „rosa mystica“, und für die rechte Rosette das Bild des heiligen Josef, die Lilie. Der Korpus Christi am erhöhten Kreuz über dem Altar stammte aus dem 13. Jahrhundert, die Madonna mit dem Jesuskind an der linken Seite, von einem Kölner Künstler aus dem 15. Jahrhundert.
Die Rosette im Turm symbolisiert den Heiligen Geist und bildete den Hintergrund zu Taufstein (Eva Burgeff) und Weihwasserbecken am Eingang des Kirchenraumes.
Die 128 kleinen Einzelfenster in den Betonwänden des Kirchenraums wurden von Gottfried Böhm entworfen. Die achteckigen kleinen Fenster erstrahlen wie helle Sterne in der Außenwand. In die blüten- bzw. sternförmigen Glasmuster sind musizierende oder singende Kinder eingesetzt. Sie sollen ein den ganzen Raum umschließendes Kinderorchester darstellen.
Die Orgel wurde nach den Vorschlägen des Domorganisten Professor Zimmermann von der Firma Seifert, Kevelaer, hergestellt. Sie verfügte über 12 Register. – Seit dem Jahr 2014 befindet sich die Orgel in der Pfarrkirche St. Stephanus in Hoeningen, einem Ortsteil der Gemeinde Rommerskirchen im Kreis Neuss in Nordrhein-Westfalen. Die Gemeinde St. Stephanus konnte das Instrument zum symbolischen Preis von einem Euro kaufen.
Im rechten Seitenflügel befand sich ein Altar mit den Reliquien des heiligen Vinzenz von Paul, dem Vater der Waisen, der heiligen Maria Goretti, der jugendlichen Märtyrerin, des heiligen Johannes Don Bosco, dem Vorbild der Erzieher, und des heiligen Hermann Josef von Steinfeld, einem Kölner Jungen, der als Kind in der Kirche St. Maria im Kapitol von inniger Liebe zur Gottesmutter entflammt wurde. Im linken Seitenflügel befand sich der ehemalige Schwesternchor für die Ordensschwestern vom armen Kinde Jesu, die von 1912 bis 1972 das Kinderheim betreut hatten.
Die Kirche steht seit 1989 unter Denkmalschutz und wurde im Mai 2007 vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) zum Denkmal des Monats ernannt.
Im Ergebnis eines Einladungswettbewerbs zum Umbau der ehemaligen Kirche erzielten die Kölner Architekten Nebel und Pössl den ersten Preis. Ab Herbst 2020 wird der zweigeschossige Bau wieder vollständig nutzbar sein. Das Erdgeschoss wird seit dem 1. Februar 2020 von der Verwaltung der Wohnungsgenossenschaft Köln-Sülz als Bürobereich genutzt. Postalisch lautet die Adresse des früheren Festsaales Elisabeth-von-Mumm-Platz 1.
Das Obergeschoss ermöglicht als Kulturkirche Konzerte, Ausstellungen, Feiern und Versammlungen. Das Gebäude erhält der Stadt zugewandt ein neues Eingangsbauwerk, das mit einer großzügigen Treppenanlage in den Kirchenraum hinaufführt. Zwei Verbindungsbrücken zu den Nachbargebäuden wurden abgerissen und durch neue schwebende Stahlbauten ersetzt. Der frühere Kirchenraum wird sehr zurückhaltend mit einer Empfangstheke für Veranstaltungen, einem offenem Aufzug, raumakustischen Oberflächen und einem neuen Lichtkonzept umgebaut.