vergeben, vergessen, verzeihen (Allgemein)

bernd @, Bergisches Land, Mittwoch, 29.12.2010, 16:42 (vor 5082 Tagen) @ Werner1960
bearbeitet von bernd, Montag, 07.02.2011, 19:04

Hallo Werner
zuerst einmal möchte ich dich und deinen Freundeskreis beglückwünschen. Solch eine Vielzahl an Berufen und Lebenserfahrungen, vereint, offen, diskutieren, ist jedem zu wünschen. Das Ergebnis eueres Gespräches kann ich für mich, wegen der parallelen zu meinem Lebensweg nach vollziehen und gut heißen.
Hallo Ewt du stimmst voll zu? Ich möchte wiedersprechen, für andere.
Dass Kinder aus normalen Familien ebenfalls der Gewalt ausgesetzt sind und massive Störungen erfahren können ist bekannt, darum gibt es nun den § 8a SGB.
Es gibt, bei allen möglichen und konstruierten Parallelitäten, einem elementaren Unterschied in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, zwischen Pädagogen und „Klienten“. Dieser Unterschied nennt sich Bindung. Er ist so eklatant, das er lebensentscheidend ist. Entscheidend für zukünftige Beziehungen, für die Gestaltung des gesamten Lebens. Störungen und die daraus entstehenden Irrwege sind je nach Schädigung schwer zu korrigieren. Sie rauben Energien, die wo anderes verloren geht. Massive Bindungsstörungen, wie die Trennung von Kind und Mutter, zerrütten das was man Urvertrauen nennt - die Basis.
Selbst Kinder, die ihre Eltern hassen lieben ihre Eltern – ein spannendes und vielsichtiges Thema.
Bindungen konnten auch im Heim aufbauen werden, leider aber fehlt die grundlegende, klebrige, alles kittende, verbindende Substanz welche man Liebe nennt.
Das es Heimkinder am Ende doch noch schaffen könnte, kann, neben der eigen Kraft, auch der schönen Zeit im Heim zu verdanken sein oder den Wohlwollen eines einzelnen Menschen. Aber ich glaube in der Realität war das nicht selbstverständlich.
Warum erzähle ich das? Heimkinder haben oft mehrere Aufgaben zu lösen: Die eigene Familie, das Heimtrauma sowie einen Sinn in der eigenen Existenz finden.
Staat/Land/Gemeinschaft/Kirche, all diese Einrichtungen haben sich dieser Kinder angenommen – vordergründig. Das Versagen war groß. Familien können Unterstützung, Beratung und sonstige Hilfen in Anspruch nehmen oder aufgedrückt bekommen. Das ist also etwas anders.
Sind wir was besonders? Ja, im negativen Sinne. Denn es geht nicht um eine einzelne Tat, um ein einzelnes Versäumnis. Unsere Ausgangslage war übel, sie war kaserniert und organisiert, sie blieb im therapeutischen Sinne unbehandelt. Viele waren in diesen Strukturen ausgeliefert. Eltern kann ich zugutehalten das sie vielleicht selbst einmal Opfer waren –was bringt eine städtische Einrichtung als Entschuldigung vor? Das ist eben der Unterschied. Für den einzelnen, ob Heim oder Familie, stehen später die Möglichkeiten einer Heilung gleichermaßen zur Verfügung. Nur weil wir alle eine Therapie brauchen macht uns das nicht normaler oder gleicher.
Wie viel Opfer brauchen Jahre – Jahre um sich mit der Tat auseinander zu setzen. Wie viele richten sich selbst zugrunde weil sie sich in ihrem Elend nicht annehmen können, wie viel meiden Gespräche über die eigene Kindheit zB im Kollegenkreis? Warum ist ein Mord mehr „wert“ als ein zerstörtes, geschädigtes oder unheilbar verwundetes Leben.
Verstehen wir uns richtig, ich bin für Vergebung aber sie darf nicht von Staat aufgrund einer Rechtsprechung entschieden werden zumal der Staat auch hier eine Verantwortung zu tragen hat. Wenn solche Taten verjährt sind, ist das Opfer, wenn es sich dann endlich der Auseinandersetzung stellt allein. Eltern kann ich immer auf der Beziehungseben einholen, Erzieher (die bösen) nicht.
Ob ein an den Pranger stellen rechtes ist muss geklärt werden, ob es sinnvoll ist einen Täter endlich öffentlich zu benennen kann für den Einzelne ein erster sinnvoller Schritt zur Heilung sein. Auch das kann man klären.
Vergeben? - ich denke, dass dies eine zu tiefst individuelle Entscheidung ist. Eben diese Entscheidung sagt wann es vorbei ist.
bernd


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