Kurz vor dem Abriss des Ursula Hauses im Jahr 2010 sprühte ein ehemaliger Bewohner des alten Sülzer Kinderheims mit roter Farbe einen Spruch an die Außenwand des Gebäudes:
„1914 – 2009. Segen und Fluch. Meinen Dank den Aufrichtigen, den Schützenden und den Liebenden! Den anderen das Jüngste Gericht und die Gnade der Gedemütigten und Zerbrochenen. Für uns selbst Mut und Frieden.“
Dieser Wandspruch erfasst die unterschiedlichen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen, die in den fast 100 Jahren einen Teil ihres Lebens in dem alten Kinderheim in Sülz verbrachten.
Die Emotionalität dieser Aussagen traf damals viele Neubewohner der neuen Häuser mitten ins Herz. Das Graffiti hat die Aktivitäten zur Gründung des „Fördervereins Erinnerungsorte Kinderheim Köln-Sülz e.V.“ (FEKS) wesentlich mitbestimmt. Die Neubewohner fühlten, dass sie an einen Ort ziehen, der sehr emotionale Geschichten „gesehen“ hat. Von Beginn war allen Beteiligten klar, dass dieser Wandspruch ein Teil der „Erinnerungsorte“ sein muss.
In der Ausschreibung des Wettbewerbs für die Schaffung der „Erinnerungsorte“ für die über 22.500 ehemaligen Kinderheimbewohner wurde eine authentische Wiedergabe des Graffiti im Rahmen einer künstlerischen Gesamtstrategie gefordert. In ihrem Wettbewerbsentwurf vom September 2016 hatten die Gewinner des Wettbewerbs, Anja Ohliger und Ulrich Beckefeld, Mitglieder des Künstlernetzwerks „office for subversive architecture“ (‘osa‘), vorgesehen, dass der Wandspruch als Gussrelief auf den Treppenstufen zum Kirchturm hin angebracht wird. Diese Idee konnte aus baulichen Gründen nicht realisiert werden.
Dank gemeinsamer Überlegungen aller Beteiligten wurde eine alternative Lösung gefunden, so dass der Graffitiwandspruch dennoch am zentralen Platz am Kirchturm realisiert werden konnte. Am 28. Mai wurden Betonsitzstufen mit dem Graffiti „Segen und Fluch“ an der Turmseite der ehemaligen Kirche „Zur Heiligen Familie“ der Architekten Dominikus und Gottfried Böhm ins Fundament gelegt. Der “Segen und Fluch” – Spruch ist angekommen, wie die Bildreportage im ‚Forum‘ zeigt.
Nun ich war auch ein Kind in dem Kinderheim als Säugling ab gegeben worden und dann nach 17 Jahren auf die Strasse der Stadt Köln gesetzt worden
Alle stationen in meinem jungen Leben waren von MISSBRAUCH jeglicher ART geprägt worden
Nun war ich auf der Strasse mein Platz war da die Anno Str. das Haus für Obdachlose
auch Hier nur Missbrauch in allen Formen
da war keiner von der Stadt hilfreich ich war weg
Ich Jahrgang 1928, habe das ehemalige Waisenhaus noch in seinem Ursprung/Original erleben können!
Dort habe ich die Kriegsjahre mit den Bombenangriffen Tag und Nacht erlebt, somit auch viele Stunden im Bunker verbracht!
Den Bombenangriff, bei dem der Dachstuhl in Brand gesetzt wurde, und abgefackelt ist, persönlich miterlebt. Dies mit der Grund, dem der Abriss und Neubesiedlung folgte.
Bedauerlich, dass fast zehn Jahre, mit Fehlentscheidungen vergehen mussten, bis das ganze Terrain endlich zu dem wird, die Gedenkstätte für die geschundenen Kinderseelen!
Nun, da das Grafitti seinen endgültigen Platz gefunden hat, empfinde ich “Wehmut!” Es hätte einen Platz in Augenhöhe verdient, anstatt wie jetzt, mit dem Gesäß der Besucher zu dienen.
Man mag meine Sicht, oder Sensibilität, kritisieren, auch das ist legitim!
Das ich den Abschluss noch erleben darf, ist eventuell auch eine Ironie des Schicksals?
Liebe Frau Klöckner,
Danke für Ihre Zuschrift und Ihre kritischen Anmerkungen.
Ihre Überlegungen zum Graffiti kann ich gut nachvollziehen. Wir haben im Vorstand des Fördervereins Erinnerungsorte Kinderheim Köln-Sülz e.V. (FEKS) gründlich überlegt, wie der Spruch angebracht werden muss, damit er gut gesehen wird und vor Verschmutzung sicher ist.
Wir haben u.a. darauf geachtet, dass der Spruch nicht zu tief angebracht wird, damit die Buchstaben bei Regen nicht vom Spritzwasser verschmutzt werden. Ferner haben wir geprüft, wie groß die Buchstaben sein müssen, und ob sie eingefärbt werden sollen.
Schließlich haben sich alle Beteiligten – der Förderverein FEKS e.V., die Künstler, unser Architekt und das Planungsamt der Stadt Köln – auf die Lösung geeinigt, die jetzt realisiert ist. Trotzdem waren wir alle sehr gespannt, ob das Graffiti in Wirklichkeit so ist, wie wir es uns gewünscht haben. Zwei unserer Vorstände waren vor Ort und haben sich das Graffiti angeguckt. Und – ich kann Ihnen versichern – beide sind mit dem Ergebnis zufrieden!
Viele Grüsse
Peter Halberkann