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Unselbständigkeit wurde vermittelt (Mein Heimerlebnis)

Werner @, Freitag, 23.10.2009, 17:04 (vor 5543 Tagen)
bearbeitet von Klaus Grube, Samstag, 24.10.2009, 06:53

Hallo ,

ich war auch in Köln Sülz, das erste Mal da war ich grade mal 12 Tage alt, dann mit 2 Jahren,später wurde ich nach Bad Godesberg Haus Stein verlegt.
Mit 4 Jahren kam ich wieder nach Köln Sülz zurück und kam zur Schwester Maria Hedwiga vom armen Kind Jesu in die Gruppe.

Mit 5.5 kam ich wieder nach Hause. Mit Jahren 6 kam ich in die Volksschule da war ich auch schon wieder drin. Mit 6 kam ich nach Köln Kalk ins Kinderheim in die Bertramstr.

Mit 6.5 Jahren kam ich dann nach Köln Mühlheim für ein paar Wochen. Danach kam ich wieder zurück nach Kalk.6 Monate später wurde das Kalker Kinderheim zur Hälfte verlegt nach dem Neugebauten Kinderdorf Hollenberg in Lohmar bei Siegburg. Da blieb ich bis ich 12 war.
Dann kam ich wieder zurück nach Sülz in die Schülergruppe des Herrn Neumann die im Lehrlingsheim intrigiert war. Da blieb ich bis ich aus der Schule kam und eine Etage höher kam zu den Lehrlingen. Später kam ich dann nach dem Jugendheim Marienhausen bei Rüdesheim. Herr Rehbach und seine Frau fuhren mich noch mit ihrem blauen R4 dahin.

Es war eine traurige Sache als ich sie los fahren sah.

Am 1.Tag da war ich grade 2 Stunden da lag ich auch schon auf dem Boden durch einen Schlag in den Magen zur Begrüßung des neuen durch den den sie Boss nannten.

Da blieb dann auch so bis ich fast erwachsen war war, und keine Ahnung hatte wie es draußen eigentlich zugeht.
Ich wunderte mich dass man einkaufen gehen musste, oder dass Kleidungsstücke in die Reinigung gebracht werden mussten. Ich wusste überhaupt nicht das es Geschäfte gab um da ein zu kaufen, um koche zu können, oder beim Bäcker um Brot zu holen.Ich hätte nie mit der Straßenbahn fahren können weil ich nicht wusste das man dafür bezahlen musste.

Ich war vollkommen Unselbständig.

Im Heim wenn man ganz klein war so sah ich es wurde alles für einen besorgt, und getan ob es Kleidung waren, essen, trinken, Waschzeug, Arzt usw. man fragte nicht es war normal.

Das erwachen kam dann.

Ich habe lange gebraucht mich um zu stellen, vor allem als ich nach Hause kam, meine Geschwister waren wie Fremde für mich, an meine Schwester konnte ich mich leicht erinnern, aber nicht das ich noch mehr Geschwister hatte. Ich fühlte mich sehr beengt, im Heim war alles groß. weiträumig, meine Eltern merkten es das es mir schwer viel nach fast 20 Jahren im Heim auf einmal ein Elternhaus zu haben, sie meinten sie wären mir nicht böse wenn ich wieder zurück gehen wollte. da war ich grade mal 7 Tage zu Hause.

Ich spürte eigentlich gehöre ich nicht hierhin. Meine Eltern und meine Geschwister, da war alles einvernehmlich, selbst über Sachen die 1-2 Jahre zurück waren konnte man über gewisse Sache lachen oder sprechen, der es nicht konnte, war der der nicht da war, und das war ich, ich merkte du kommst hier in deiner Familie rein wo du ein Teil davon bist, aber in Wirklichkeit bist du der Fremde, und für die anderen auch.

Und wo ich die vielen Jahre gehofft habe endlich nach Hause zu kommen, da merkte ich das ich die ganzen Jahre umsonst gehofft und geträumt hatte.

Werner

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Klaus Grube ⌂ @, Hellenthal, Samstag, 24.10.2009, 07:31 (vor 5543 Tagen) @ Werner

Hallo Werner,
welche Erklärung gibt es dafür das du wie ein Pokal von Heim zu Heim rumgereicht wurdest? Nicht nur das du keine Vertrauensperson kanntest sondern dich jedesmal vom neuen in einer Gruppe durchsetzten musstest und bestimmt für dich ein täglicher Kampf war.

Die Unselbstständigkeit war nicht nur bei dir ein großes Problem sondern bei vielen anderen und auch bei mir.
Die Rundumversorgung im Heim hat vielen die Selbstständigkeit geraubt. Ich war nicht einmal in der Lage einkaufen zu gehen geschweige den bei Behörden den Mund aufzubekommen oder sich zu wehren wenn was behördlich nicht in Ordnung war. Nicht einmal eine Kritikfähigkeit konnte ich aufweisen wenn z.B. die Verkäuferin mir zu wenig Wechselgeld herraus gegeben hat. Ich musste erst einmal über viele Jahre dieses lernen und besonders mein Selbstbewustsein erarbeiten um zu erkennen, dass ich als Mensch auch Rechte und Würde haben darf.
Kurioser Weise steht in meiner Akte das Klaus große Probleme damit hat, wenn er Kleinigkeiten erledigen sollte wie z.B. einen Bestellzettel in der Milchküche abzugeben. Also hat man damals diese schon im Heim erkannt aber nichts dagegen unternommen. Es war mir immer sehr unangenehm in anderen Gebäuden des Hauses etwas zu erledigen, denn ich könnte ja vieleicht etwas falsch machen.
Überhaubt bin ich nie gerne draussen gewesen um ja nicht den "Schutz" zu verlieren und immer in vertrauter Umgebung zu bleiben. Denn da war ich wer und mich kannte jeder.

Erst 1973 änderte sich das interne Wirtschaftsgehabe im Heim in den der damalige Direktor Da Costa Gomez diese nach und nach abschaffte. Die Gruppen mussten sich selber versorgen und mit dem monatlichen Haushaltsgeld auskommen. Das heisst wir mussten selber einkaufen gehen und auch die Gruppen mussten sich selber bekochen statt von der hausbackenen Großküche sich das Essen fertig zu erhalten.
Auch besuche beim Arzt, Apotheken, Schuhe und Klamotten wurden absofort von uns selber erledigt und nicht mehr Zentral organisiert. Durch diese Praxis wurden zwangsläufig die Kinder selbstständiger. Für uns kam es jedoch ein paar Jahre zu Spät. Zu tief sassen in uns noch die alten hausbackenen Strukturen in den Köpfen und der Wegfall unserer gut behüttete Bequemlichkeit, alles herangetragen zu bekommen, erschwerte zusätzlich unseren Tagesablauf.

Erst viele Jahre später lernte ich nach und nach das Versäumte aufzuholen...

--
Es gibt immer einen Weg zu uns allen - wir müssen es nur wollen
Mit lieben Grüßen euer Klaus
Internet: http://www.kinderheim-Koeln-suelz.de
Verantwortlich und Kontakt: https://kinderheim-koeln-suelz.de/?page_id=28

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Unselbständigkeit wurde vermittelt

Werner @, Samstag, 24.10.2009, 14:05 (vor 5542 Tagen) @ Klaus Grube

Hallo Klaus,

warum ich so rum gereicht wurde weiss ich bis heute nicht.Könnte es sein das man den Eltern und den Verwanten ev. den Zugriff auf mich so verhindern wollten damit ich für sie nicht auffindbar sei,um mich ev.zu schützen.

Dies ist nur eine These.

Eine Vertrauensperson hatte ich nie im meiner ganzen Heimzeit gehabt.Wobei ich gerne eine gehabt hätte,um mich vieleicht auch ein bischen anlehen zun dürfen,zu können.

Da wo ich das Gefühl hatte der mag mich oder der ist ganz anders zu mir,da stellte ich immer wieder fest das die von mir mehr wollten was ich aber nicht wollte,diese Erwachsenen waren auch in Sülz.

Im Endefekt war ich dann wieder allein,so zog es sich hin bis ich rauß kam.

Auch da merkte ich wenn jemand auf mich zu kam der freundlich und nett war der mit mir ins Gespräch kam das dann die Situation immer so war das ich weg wollte weil es mir nicht so geheuer vor kam.

Unselbständigkeit wurde vermittelt

imi @, Kaiserslautern, Montag, 26.10.2009, 16:11 (vor 5540 Tagen) @ Werner

Hallo Werner,
bin nicht gerade froh Deine Beschreibungen zu lesem,
aber es gibt mir Bestaetigung das es (in meinem Fall) nicht an mir liegt.
Du ruegrst da so ziemlich in eines jeden Heimkindes Wunden. Selbstaendigkeit
war fuer endlos lange Jahre ein Fremdwort und Vertauen, das fehlt leider oftmals noch heute. Freundlichkeit oder Unterstuetzung, privat oder auch im eigenen Unternehmen, sofort schaffe ich noch heute Distanz, untersuche wo der Haken ist. Hab aber zum Glueck geschaffft, die Situationen fuer mich zu meistern, die Distanz nicht auf meine Gegenueber zu uebertragen.
Ich weiss nicht, ob das jemals ganz weg geht. Aber ich weiss es ist nicht
noetig, so kann ich das ganz gut meistern.
Wirst auch damit klar kommen

imi

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Unselbständigkeit wurde vermittelt

Werner @, Montag, 26.10.2009, 17:53 (vor 5540 Tagen) @ imi

Hallo Imi

danke für deine freundliche Mail.Ich habe mich sehr über deine Offenheit gefreut.Es freut mich noch mehr das es die soweit gut geht.

Ich wohne jetzt schon seit 20 Jahren hier im Rheinerftkreis.Ich habe mich aber nie hier Zuhause gefüllt.
Da ich beruflich täglich in Köln bin habe ich immer das Gefühl wenn ich wieder zurück fahre,ich fahre von Zuhause weg.

Ich denke das ich den Ortsteil Sülz meine weil der von meiner Geburt mein Zuhause war.Zwar im Heim,aber besser als gat kein Zuhause.

Durch den Abriss der jetzt statt findet hat sich mein gefühl bestärkt das ich wieder nach Köln ziehen werde,wenn es klapppen sollte nach Sülz.

Danke sagt Werner

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