Teil-Biografie eines Ehemaligen (Biografien / Personen)

brusselfred @, Southold, New york, Donnerstag, 15.10.2015, 11:25 (vor 3141 Tagen)
bearbeitet von brusselfred, Freitag, 16.10.2015, 12:15

Einige - oft viele - von uns haben den Weg in das Alltagsleben ueber das Kinderheim gefunden. Einige waren wirklich Waisen, Halbwaisen, und andere sind durch soziale und familiaere Umstaende durch die Kinderheim Organisation ins spaetere Leben geschickt worden.

Ich war schon 4 Jahre alt, als meine Mutter heiratete. Es war eine Militaer-Hochzeit, in K.-Ehrenfeld. Ihr Mann hatte mir seinen Namen gegeben (so steht es in meiner Geburtsurkunde), und habe diesen Namen auch bis heute behalten. Erst spaeter, nach der Verabschiedung vom Kinderheim Suelz, Kinderheim K.-Muehlheim, und eventuell Lehrlingsheim Suelz hatte ich durch Zufall herausgefunden, dass der Mann, den meine Mutter heiratete, nicht mein richtiger Vater war. Meine Tante, mit der ich fuer etliche Jahre lebte, hatte einige Briefe vom Versorgungsamt Oldenburg, die die Waisenrente und andere Sozialleistungen regelte und gewoehnlich die Rente abstellte, nach dem Alter von 18. Einer der Briefe war eine Amtsgerichtliche Erklaerung ueber meinen biologischen Vater, der nicht nur die Vaterschaft ueber mich anerkannte, sondern auch die Verpflichtung bestaetigte, meiner Mutter eine gewisse Geldabfindung zu leisten.In der gleichen Erklaerung stand noch ein Vermerk, indem er seine Absicht aeusserte, "die Kindesmutter zu heiraten". Das Dokument, datiert 1937, wurde in Falkenburg (Pommern) ausgestellt und mit dem offiziellen Amtsstempel (mit Hakenkreuz) gesiegelt.

Ein anderes Schreiben vom Versorgungsamt Oldenburg besagte, dass mein biologischer Vater gefunden wurde, und zwar in England. Weiter Einzelheiten gab es keine, abgesehen davon, dass die Waisenrente nicht weitergehen konnte.

Also lief ich immer noch herum im Leben, ohne den richtigen Vater zu kennen. Das Gefuehl war nicht gerade ermutigend, aber das Leben musste weitergehen. Wie sollte ich denn jemanden finden, von dem ich keine Adresse hatte, nur dass er in England lebte.

Das aenderte sich, allerdings etliche Jahre spaeter, als ich schon bei einer Fluggesellschaft arbeitete nach meiner Auswanderung nach Amerika. Bei einem Flugeinsatz nach London ging ich dann zu einer Detektei um zu versuchen, meinen Vater zu finden. Der Detektiv konnte mir nicht direkt helfen, jedoch schlug er mir vor, mich bei der Englischen Sozialversicherung zu melden. Das hatte ich auch getan, nachdem ich wieder nach New York zurueck ging. Die Leute schrieben mir zurueck, dass sie mir bei der Suche nach meinem Vater nicht helfen koennten, da diese Informatiionen aufgrund des Privat/Personen Schutzes in England auch privat gehalten werden. Demnach hatte ich einen Brief an meinen Vater aufgesetzt und ihn an die Englische Sozialversicherung geschickt mit der Bitte, den Brief an meinen Vater weiterzuleiten, wobei gleichzeitig sein Privatrecht geschuetzt war und er die Wahl hatte, mir zu antworten oder auch nicht.

Innerhelb von einer Woche hatte ich eine Antwort, seine Antwort, dass er sich freute, nach all den Jahren seinen Sohn gefunden zu haben, dessen Vaterschaft er vor so vielen Jahren anerkannt hatte.

Man kann sich vorstellen, was fuer ein Gefuehl es war, fuer mich, im "Alter von 30 Jahren zum ersten Mal von seinem Vater zu hoeren. - Durch Korrespondenz haben wir dann Kontakt behalten - er war pensioniert (als Kuechenchef) und wohnte im Sueden von England. Der naechste Schritt war ein Zusammentreffen. Und so traf ich ihn schliesslich in London. Mein Eindruck von ihm war sehr positiv. Natuerlich war ich neugierig, wie er ueberhaupt in England gelandet ist.

Nach seinen Erklaerungen war er beim Militaer und diente an der Westfront, in der Ardennenoffensive 1944. Waehrend einer "Toilettenpause"...stand ploetzlich ein bewaffneter Englisch/Polnischer Soldat vor ihm und wollte ihn "abknallen". (Bemerkung: Die Englische Armee hatte etliche Polnische Divisionen, die fuer sie kaempften). Mein Vater, der in Posen aufgewachsen war und natuerlich Polnisch sprach, erhob seine Stimme - in Polnisch - und der Soldat senkte das Gewehr und nahm meinen Vater gefangen.

Lange, Rede, kurzer Sinn, er wurde als "Offiziers-Bursche" in die Polnische Gruppe aufgenommen und endete den Krieg als Englisch/Polnischer Soldat, mit den noetigen Papieren, inklusive Soldbuch und Pass usw.

Nach unserem Treffen - das einzige - blieben wir in Kontakt, mit Bilderaustausch und kleinen Gaben, die ich ihm aus Amerika schickte. Er starb dort in Frieden und man hatte mich gebeten, Anweisungen fuer ein Begraebnis zu schicken. Am Ende schickte man mir noch eine kleine Rechnung fuer Nebenausgaben.

Wie die Franzosen sagen.....C'est la vie!


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