Kinderheim ist das Beste, was mir passieren konnte! (Mein Heimerlebnis)

Little Bird @, Köln, Donnerstag, 13.05.2010, 00:15 (vor 5341 Tagen)
bearbeitet von Little Bird, Donnerstag, 13.05.2010, 00:39

Danke, dass ich im Heim sein durfte!

Guten Abend

Ich habe sehr lange mit mir gehadert, ob ich mich in diesem Forum beteiligen möchte oder nicht. Ich hatte weiter sehr lange gezögert mich hier zu beteiligen, da ich bisher den Eindruck hatte, dass ein Teil der leider individuellen sehr negativen Vergangenheit teilweise versucht wird im WWW zu verarbeiten. Nicht das ich dies Verurteile, jedoch kann ich dies in meinen Erfahrungen nicht widerspiegeln.
Der Grund ist, dass ich mit den Zeiten der „schwarzen Pädagogik“ glücklicher Weise nichts zu tun hatte. Mich erschreckt was ich lese und bin sehr dankbar, dass ich bei diesen Themen nicht mitschreiben und reden kann.

Sollte ich Personen nennen, welche nicht erwähnt werden wollen oder ein Kontext nicht stimmig sein, so ist dies in keiner Weise mit einer negativen Absicht geschehen. Ich bitte daher, mit mir direkt per Mail in Kontakt zu treten. Ich werde entsprechende Passagen selbstverständlich sofort ändern.

Nun ja, ein Forum ist immer nur so gut wie die Beiträge , die geschrieben werden, so dass ich mich beteiligen und auch anderes berichten möchte.

Gründe hierfür gibt es reichlich:

Sülz ist meine letzte „Heim – Unterbringung“ gewesen. Vorher sind viele Dinge falsch gelaufen. Aber wem nenne ich dies…….

Mein Unterschied ist, dass ich sowohl während der meiner Heimaufendhalte, als auch nun mit erwachsenem Alter nennen kann:

Heim ist mit das Beste was mir in meiner Vergangenheit passiert ist!

Ich werde hier nicht jedes Detail nennen können, Ihr verstehrt das sicherlich . . .

Aus meiner Erinnerung hatte ich meine leibliche Mutter immer als eine schwache Person gesehen, welche aufgrund der Gesundheit, ihrer persönlichen Situation und ihrer Vergangenheit (ich bin fast überzeugt, dass sie vergewaltigt wurde {verjährt}) sich nicht um mich kümmern konnte. Aus der ersten Akteneinsicht ergab sch auch das Bild, dass meine leibliche Mutter mit dem Leben, welche sie lebte und somit auch mir ermöglichte, sehr überfordert war. Dieses hat mich in dieser dokumentierten Intensität sehr erschreckt. Ich werde den Akten weiter nach gehen. Mein Mutterbild wurde durch die damalige latent asozialen Verhaltensweisen und Realitäten ersetzt.

Weiter zu Heimen: Ich habe aufgrund der unsozialen und für sie psychisch überforderten Lebensweise meiner Mutter noch weitere Geschwister. Warum ich nicht dem damaligem Mann und dem Vater meiner beiden Halbgeschwister zugesprochen wurde? Riesen Dank an alle damalig tätigen Sozialarbeiter und Zuständigen! Ich war mal wieder wie so oft im Heim und ein mir noch heute in Erinnerung bekannter Erzieher teilte mir mit, dass Mama nicht wieder kommen wird. Es gibt wenige Momente die ich heute noch im Kopf habe, dieser gehört dazu.
Damals war ich in Solingen in einem Heim.

Die Zeit brachte es mit sich, dass ich zu einer Pflegefamilie nach Köln- Porz vermittelt wurde. Der Versuch scheiterte und ich kam nach Sülz. Ich kann hier mit einem großartigen Schmunzeln schreiben, das ich nur das Kinderheim in Solingen kannte und ergo auch den mir einzig bekannten Weg von Köln-Porz bis nach Solingen über die Autobahn(!) mit dem Fahrrad nahm. Mich hat der ADAC gemeinsam mit der Polizei von der Autobahn gepflückt und aus heutiger Sicht ist mir, ein Glück nicht mehr passiert, denn ich hatte einige Beschleunigungsstreifen zu überqueren.
Ich nannte, dass ich weg von der Pflegefamilie und nach Solingen zu dem mir bekannten Heim wollte.


*EXKURS ZU HEUTE*

Ich habe vor kurzem Rolf Koch angeschrieben und gefragt, ob es möglich sei meine Akte einzusehen. Mit Rolf wurde ein Termin vereinbart und mit meiner Frau fuhr ich dann nach Sülz.

Lieber Rolf

Vielen Dank, dass Du dies für mich so unkompliziert und herzlich ermöglicht hast!

Kennt Ihr so Momente in denen man einen „BAM“ ja so wars hat?? Den hatte ich an diesem Tag wieder:
Ich kam mit meiner Frau am Sülzgürtel an und ich muß zugeben, dass ich schon sehr hibbelig war, mich wieder beim Pförtner zu melden.
Ich habe mit meiner Frau die Akte gelesen und nachdem wir durch waren haben wir noch ein wenig mit Rolf gesprochen und BAM da war es wieder:
Das Feuer, die Intensität, die Begeisterung und Klarheit, die Fähigkeit genau den Nagel auf den Kopf zu treffen. Ich hatte Rolf in die Augen geschaut und wieder diese enorme Intensität wieder entdeckt. Tolles Gefühl. Diese Engagement auch in komische Themen frei hineinzugehen und sie zu beleuchten. Grandios! He he he auch die Mimik tat ihr übriges (hier habe ich gerade übrigens ein riesen Grinsen im Gesicht) und ich bin mir sehr sicher, jeder der Rolf auf irgendeine schon mal herausgefordert hat, weiß exakt was ich meine! Sein Feuer in den Augen ! TOLL!!!! (Ich weiß nicht ob er es gerne liest und hört, aber ich schreibe es trotzdem!)
*EXKURS ZU ENDE*

Ich kam in die Aufnahmegruppe „Rolf Koch“ nach Köln Sülz.

Ich schreibe Bruchstücke auf, welche sich noch in meiner Erinnerung befinden:

Ich war nun wieder im Heim. Die Pflegeeltern kamen noch mal nach Sülz und haben dort mit allen gesprochen. Ich habe es nicht verstanden. Die Gruppe Koch ging auf Fahrradtour quer durch Italien. Ich habe mit Rolf Koch zusammen ein Fahrrad gekauft, welches die Pflegefamilie zahlte. Ich wollte eines mit Kettenschaltung. Rolf erlaubte mir eines mit Nabenschaltung Dreigang. Ich wollte eigentlich ein Mountainbike mit Kettenschaltung haben, jedoch nannte Rolf, er kenne sich mit Kettenschaltung nicht aus, so dass er mich nur Nabenschaltung mitnehmen werde.

An Italien per Fahrrad (Mailand – Trieste) erinnere ich mich an Bilder/Ereignisse ohne Reihenfolge:

- Rolf, Du, ein weiterer Teilnehmer und ich sind an nur einem einzigen Tag um den Lago di Garda mit dem Rad gefahren!
- Auf der Tour ist Rosi mal in ein Hafenbecken gesprungen und kam sehr schnell wieder aus der Brühe heraus.
- Wir waren am Lido di Jesolo wo Myriaden von Italienern am Strand lagen und ich mir keine Pistole an den Strandbuden kaufen durfte…
- Ich glaube mich noch an verschiedene Pizzarien erinnern zu können.
- ich erinnere mich heulend, vom Regen durchnässt ins Zelt geleitet von Rolf oder Hans-Peter…bin mir nicht mehr ganz sicher.
- Ich erinnere mich noch sehr deutlich an unseren „Sonnenschutz“. Irgendsoein Olivenölgemisch in einer durchsichtigen Flasche. Hat aber toll gerochen und ich kann mich an keinen Sonnenbrand erinnern.

*EXKURS HEUTE*
Ich habe lange das spendierte Rad als einen Freibrief empfunden, mit welchem sich die Pflegefamilie freigekauft hat.
Aus heutiger Sicht: Danke Rolf, dass Du mich im Fokus hattest, denn da war eine Familie, die ein Fahrrad für mich, auch unter widrigsten Umständen für ein eigentlich von Fremden verkorkstes Kind spendiert hatten und es in keiner Weise nötig gehabt hätten. Weiter ergab sich aus der Akteneinsicht, dass die Pflegefamilie unter einem enormen Konflikt stand und es für diese eine riesen Zerreisprobe war sich eingestehen zu müssen, dass eine weitere Pflegeunterbringung nicht mehr durch diese geleistet werden kann. Dieses weiß ich erst seit dem ich die Akte in Sülz eingesehen habe. Ich hatte all die Jahre vorher immer für mich im Kopf gehabt, die haben sich verpisst. Dieses Aha beschäftigt mich schon sehr. Denn aus heutiger Sicht kann ich sehr wohl nachvollziehen welche enorme Belastung dies war. Insbesondere der Tatsache geschuldet, dass ich nachdem ich zu einer neuen Pflegefamilie vermittelt war, auch (ich glaube 2 mal) bei der Ex-Pflegefamilie unerwartet aufschlug und sie wieder mit mir konfrontierte. Heute ist es für mich schon fast beschämend, da ich den emotionalen und psychischen Konflikt nachvollziehen kann. Gerne spräche ich mit der Familie darüber, jedoch glaube ich, dass hier zuviel wieder aufgerissen würde….
*EXKURS ZU ENDE*

Nach einiger Zeit kam ich in die Gruppe Ocklenburg.

Aus dieser Zeit habe ich auch noch einige Erinnerungen. Jedoch keine wirklich zusammenhängenden . . .

Ich habe auch nen paar Namen noch in meinem Kopp

- Hilde
- Norbert (Noppes), der hinterher ins Jugendheim zu Hans-Peter (ehemaliger Erzieher aus der Gruppe Koch) ging.
Wir sind mal mit Fahrrädern nach Birnbach gefahren und hatten sogar das i. O. von Franz Ocklenburg bekommen. Ich war stolz wie Bolle zu Pfingsten!
Norbert und ich haben uns mal beim kellnern in der Köln Arena / Lanxess Arena wieder getroffen, aber leider nicht mehr als ein „Hallo“ hinbekommen. Heute hätte ich gerne mehr…. Und ich verspreche hier Norbert, dass ich Dir noch eine lustige „Episode“ nennen kann, die Du bestimmt nicht
mehr weißt. *kicher*
- Anneliese
- Natascha
- Antonio, glaube ich, aber bin mir hier nicht sicher, kann auch ein Junge aus meiner Grundschule gewesen sein.
- Ich meine auch mich noch 2 kleine Mädels zu erinnern
Ela & Nicole

Ich kann mich noch an zwei weitere Erzieherinnen erinnern:

Roswita . . . . ich meine mich zu erinnern, dass ich mit ihr so einige Konflikte austrug . . . .
Die Praktikantin, die ein Velo Solex fuhr und meiner Erinnerung nach sogar in der Anton-Antweiler-Str. wohnte. . . . sie war sehr herzlich. Leider erinnere ich mich auch an eine Szene, in der ich sehr intensiv rotiert habe und weitere Erzieher aus dem Feierabend noch telefonisch zur Unterstützung der Situation hinzu gerufen werden mussten. Phuuu, nicht einfach . . . .

Wie ging es nun weiter . . . jedenfalls nicht mehr im Heim.

Aus heutiger Sicht kann ich nennen, dass die für mich ausgesuchten Pflegeeltern leider nicht soooo gut waren. Ich habe viele Dinge und Erlebnisse erst nach einer Trennung psychologisch aufarbeiten können.
Heute, tja ich kann nennen, dass ich einen sehr individuellen Lebenslauf habe.

Als ich nun die Akte gelesen hatte, fragte ich, ob ich mir verschieden Passagen kopieren darf. Zu meiner Überhaschung geht dies. Aus meiner Zeit aus Köln Sülz werde ich alle wichtigen Einträge und Akten haben. Es ist ein tolle Gefühl. Danke!

Ich habe mittlerweile eine 4,5 Jahre alte Tochter. Sie hat Freunde im Kindergarten und in der Nachbarschaft. Ich kenne von allen Kindern die Eltern und mit manchen Eltern und ergo auch den Kindern haben wir leider, leider keinen Kontakt. Ansonsten wächst sie in einem harmonischen und freien Umfeld in Köln Riehl auf.

Dinge, die mir ein heute recht stabiles Leben ermöglichen:

An erster Stelle kann ich nur meine Frau nennen. Sie hat mich zu einer Zeit kennen gelernt, zu der ich stark alkoholabhängig war. Ich habe sie beschummelt und versucht wie immer auszutricksen. Sie ist bei mir geblieben. Nun ja, fragt sie einfach irgendwann selbst warum . . .

Hey Süße ließt Du dies irgendwan . . Ich liebe Dich und danke Dir für unsere gemeinsame Zeit gestern, heute und besonders morgen!!

Zweiter Punkt hat auch mit ihr zu tun, sie hat mir eine Struktur gegeben welche mir eine selbstbestimmte Handlungsweise ermöglicht.

Ich habe über sieben Jahre eine Psychotherapie gemacht. Ich habe das selten Glück gehabt, dass ich einen wirklichen „Könner“ für mich gefunden hatte. Nun ja, habe da auch sehr komische Menschen vorher in einigen reichlich erfolglosen Versuchen kennen gelernt.

Erschreckenderweise habe ich sogar Freunde gefunden…..die mich auch noch mögen. Das ist lange Zeit für mich kaum auszuhalten gewesen.

Kennt Ihr diese Bilder in Zeitungen beim Arzt, bei denen man immer das nicht passende Detail im rechten Bild einkringeln muss? Ich fühle mich häufig als das eingekringelte Detail.

Ich fühle mich auch heute noch so! Ich habe immer den Eindruck, dass ich nicht guppenkompatibel bin! Wenn es mehrere Leute in einem Raum gibt, können sich aller immer an mich erinnern, auch wenn ich nix gesagt habe…..

Mittlerweile spreche ich in Gruppen nur noch, nachdem ich explizit gefragt habe, ob meine Meinung wirklich erwünscht ist, denn ich habe ein sehr drastisches Talent, Dinge sehr direkt und auch unverblümt anzusprechen. Weiter ist es so, dass ich Zusammenhänge sehr schnell erfasse und über meine Geschwindigkeit sehr viele meiner Mitmenschen einfach überfordere. Ergo, mache ich den „Leisen-Fuchs“ und konzentriere mich, nicht alles was mir durch die Birne schießt, direkt und ungefiltert abzufeuern . . .

Ich möchte mich auch hier unbekannterweise bei zwei Usern sehr herzlich für deren Engagement bedanken: Hütchen & Michael Sturmann
Vielen Dank für Eure Bilder. Die haben vieles vergessene wieder an die Oberfläche gebracht. Danke auch, dass Ihr auf meine Mails direkt reagiert habt!

Ich bitte alle die gerne bekannt oder auch stand jetzt unbekannt (und auch nur jetzt) mit mir Kontakt haben möchten, BITTE GERNE!

Gibt es Personen, die meine Angaben vervollständigen oder auch bei mir weitere Erinnerungen hervorrufen können??

Lasst uns über viele Dinge konstruktiv, schuldfrei, sprechen, schreiben entdecken, etc…

Martin

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Kinderheim ist das Beste, was mir passieren konnte!

hütchen @, köln, Donnerstag, 13.05.2010, 05:01 (vor 5341 Tagen) @ Little Bird
bearbeitet von hütchen, Sonntag, 14.10.2012, 05:28

hallo martin,

einen dank für deinen dank an mich.

na das war aber mal eine lange emotionale niederschrift deiner gedanken, gefühle und erinnerungen.
gefällt mir, diese positivität.

das mit dem "direkt" aussprechen kenn ich auch. ich mag meist auch gerne einfach heraus sagen was ich denke,
aber es ist tatsächlich nicht einfach und man eckt schnell an.

ich freue mich für dich, dass du einen "könner" gefunden hast, mit dem du dein leben verarbeiten konntest und dass du eine so tolle partnerin an deine seite hast und wünsch dir für die zukunft alles gute.

mo

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Kinderheim ist das Beste, was mir passieren konnte!

Birgit @, Köln, Donnerstag, 13.05.2010, 10:51 (vor 5341 Tagen) @ Little Bird

Hallo Martin,

ich freue mich ,dass Du Dich für eine Beteiligung an diesem Forum entschieden hast!

Deinen Bericht fand ich sehr interessant und lesenswert!

Danke für Deinen offenen und ehrlichen Einblick in Dein Leben!

Es ist toll, daß Du heute – mit der liebender Unterstützung Deiner Frau - Dein Leben in die richtige Bahn gelenkt hast!

Deine kleine Familie sollte weiterhin an erster Stelle Deiner persönlichen Prioritäten
stehen, denn ich bin der Meinung, dass man eine Familie zum Glücklichsein braucht.

Liebe Grüße
Birgit

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