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Der erste Morgen in Sülz (Mein Heimerlebnis)

Jürgen @, Oranienburg, Donnerstag, 18.06.2009, 10:39 (vor 5671 Tagen)

Es war ca. ende Mai 1967 - ein Freitag.

Ich weiss heute nicht mehr was ich letzte Woche gegessen habe,
aber daran erinnere ich mich genau.

Ich war 6 und spielte mit meinen Geschwistern im Sandkasten.
Da sprach uns eine Frau an. Das Ergebnis war, das wir in einem großen schwarzen
Mercedes nach Sülz ins Kinderheim gebracht wurden - aus dem Sandkasten heraus.
Das war das letzte mal das ich meine Geschwister sehen sollte...... (bis heute)
Ich war also jetzt im Heim.
Oft hat meine Mutter damit gedroht, jetzt hat das Jugendamt die Initiative getroffen.

Samstag - der erste Morgen in einer neuen Welt.
Waschen, anziehen, beten, frühstücken und dann wurde sich versammelt zum "kitschen".
Was in aller Welt ist "Kitschen"???
"Das wirst Du noch sehen" sagte Fr. Gisela.
Wir gingen also unterirdische Wege und waren dann in einem Raum in der ein sehr großer Tisch stand
um den wir aus alle aufstellten. Eine Stoffrolle wurde ausgerollt in der sich kleine Messer befanden.
Wie alles was man benutzte hatten auch die Messer eine Nummer.
Ich war die Nummer 4, also war Messer Nr. 4 meins.
Sehr große Kübel, Crome glänzend, kippten den Inhalt auf den Tisch.
Einer nach dem anderen.......
Unmengen von Kartoffel machten sich breit.....
Ich hatte bis dahin noch nie sooooo viele Kartoffeln gesehen.
Sie waren vor geschält. Wir mussten die Kitschen heraus schälen.
Es wurde extrem aufgepasst das nicht zu dick geschält wurde, den wo anders auf der Welt
hungern Kinder.
Da ich bis dahin noch nie in meinem Leben eine Kartoffel geschält hatte, tat ich mich sehr schwer.
Kein Wunder das ich ständigen Gemeckere ausgesetzt war.
"Wenn du nicht dünner schälst wirst du eine Woche die Abfälle essen!"
Kurz und gut, dem war dann auch so.
Nach 2 Tagen hatte der Koch, der in der Gruppe meine "Extrawurst" kochen musste, wohl Mitleid.
Er bratete echt leckere Kartoffel-Kitschen.
So lecker das die anderen in der Gruppe schon fast neidisch waren.
Für mich war es keine Überwindung dies zu essen - im Gegenteil.
Leider wurde dies bemerkt.
Sofort musste ich die selben Kartoffeln essen wie die anderen.

So ist das also im Heim.
Aber wenn man denkt es kann nicht mehr schlimmer kommen...................


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